Same Day Delivery vor dem Aus: Nachhaltigkeit statt Schnelligkeit

Der Anspruch und das Bedürfnis der taggleichen Lieferung haben bei den deutschen Konsumenten deutlich nachgelassen.

Das einheitliche Ziel vieler Paketdienste, möglichst schnell zu liefern, führte von Next Day Delivery zu Same Day Delivery, also die taggleiche Zustellung von bestellten Produkten. Die Rede war dabei von einem neuen Standard und vom „Gamechanger für den Online-Handel“. So prognostizierte eine McKinsey-Studie aus dem Jahr 2014, dass 15 Prozent der Paketumsätze in Westeuropa in 2020 durch Same Day Delivery-Pakete erreicht werden. Dabei sollte Deutschland einen Anteil von 27 Prozent (ca. 837 Millionen Euro) besitzen.

Nun zeigt sich jedoch, dass die Nachfrage nicht mit den hohen Erwartungen mithalten konnte und die Same Day Delivery stets nur einen Nischenmarkt darstellte. Schon 2017 offenbarte eine YouGoy-Studie, dass die Zustellung einer Lieferung an einem Wunschtermin den Befragten deutlich wichtiger ist, als die Lieferung am selben Tag. Auch anschließend konnte das geringe Interesse an dieser Dienstleistung nie wirklich Fahrt aufnehmen, weswegen sich die KEP-Dienstleister nach und nach von diesem Service verabschiedeten.

Hermes zieht den Stecker: Das Aus für Liefertocher Liefery

Am 28. Februar 2021 wurde der Marktaustritt von Liefery vollzogen. Hermes, der das StartUp 2017 übernahm, begründete das Ende des Same Day Delivery Dienstes mit „strategischen Erwägungen“. Liefery hatte den Fokus auf die taggleiche Zustellung gesetzt und konnte mit diesem Konzept zahlreiche namhafte Partner wie Rewe, Hellofresh und Zalando gewinnen. Jedoch blieb „die Entwicklung der taggleichen Lieferung vom Nischenprodukt zu einem skalierbaren Geschäft“ bislang aus, wie es von Hermes in der Ankündigung zum Ende von Liefery hieß. Der Fokus der Kunden läge nicht mehr auf der Geschwindigkeit einer Lieferung, sondern vielmehr auf einer transparenten und verlässlichen Kommunikation im Laufe des Zustellprozesses.

Hermes setzte stattdessen für die Zukunft verstärkt auf das Next-Day-Delivery-Geschäft, so der Chief Sales Officer Hermes Germany Dennis Kollmann: „Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der sich zunehmend angleichenden Produktportfolios haben wir uns dazu entschlossen, künftig fokussiert aus der Hermes Germany heraus am weiteren Marktwachstum zu partizipieren. Ziel ist es, unsere große 2C-Expertise in Zukunft noch gezielter und enger an unseren Kernprozessen entlang zu erweitern“.

Das entscheidende Negativmerkmal des Same-Day-Delivery-Services sind dabei jedoch die enorm hohen Kosten gewesen. Laut Hermes war die Zahlungsbereitschaft der Kunden nicht ausreichend, um diese kostenintensive Zustellart weiter zu betreiben. Dies bestätigt auch eine Umfrage aus dem Jahr 2018 des französischen Capgemini Research Institute. Laut dieser sind Kunden zwar an einer taggleichen Zustellung interessiert, wollen dafür aber in nur sehr wenigen Fällen auch extra bezahlen. „Die Zahlungsbereitschaft der Kunden in Deutschland für Same Day-Belieferung liegt unter Fünf Euro“, so Arne Schulke, Professor for Management Control & Leadership bei der IUBH School of Business and Management in einem Interview von Bito.

Same Day Zustellung im urbanen Raum: DPD

Auch DHL stellte den Service wegen zu geringer Nachfrage im Vorjahr ein. DPD tat dies bereits 2019, wobei das Unternehmen noch etwas am Konzept festhält. DPD gab in seinen veröffentlichten Unternehmenszahlen seine Pläne für das kommende Jahr bekannt. Dabei betont der Logistiker, dass der Bereich der urbanen Logistik weiter ausgebaut werden soll, „um sich in insgesamt fünf Dienstleistungsbereichen als Branchenführer zu etablieren“. Dazu zählt die DPD-Group auch die Zustellung am gleichen Tag.

Gebündelte statt schnelle Lieferungen: Amazon

Das große Bestreben des Online-Riesen Amazon, in immer mehr Bereiche es täglichen Lebens vorzudringen, ist allseits bekannt. Auch in der Logistik und im Versand überlässt der Konzern schon lange nichts mehr dem Zufall und baut diesen Bereich in den vergangenen Jahren massiv aus. Ziel soll dabei sein, unabhängig von den traditionellen Zustellfirmen zu werden. Da Amazon nach eigenen Angaben in den USA bereits gut die Hälfte seiner Pakete selber zustellt, scheint dies nach und nach auch erfolgreich zu funktionieren. Die innovative Einführung des sogenannten „Prime-Versand“, den Amazon-Kunden mit einem Bezahl-Account nutzen können, wird dabei helfen.

Unter dem Motto „gebündelte statt schnelle Lieferung“ führte der US-Konzern im Herbst 2019 den sogenannten Amazon Tag in Deutschland in den Testbetrieb. Bei diesem Service können Kunden einen individuell festgelegten Tag wählen, an dem alle ihre Amazon-Bestellungen zugestellt werden. Dabei sollen alle Produkte gebündelt am Wunschtag bei den Konsumenten ankommen, ohne jedes Produkt einzeln zu versenden. Damit zeigt Amazon, dass es sich der Bedürfnisse der Kunden nach mehr Umweltbewusstsein angenommen hat.

Geänderter Fokus der Kunden

In den vergangenen Jahren kristallisierte sich immer mehr heraus, dass die Konsumenten weniger auf die Schnelligkeit der Lieferung und mehr auf die Kommunikation sowie den Umweltschutz fokussiert sind. Der oben beschriebene Amazon Service der gebündelten Lieferungen beispielweise reduziert nicht nur die Lieferfahrten und spart somit CO2-Emissionen ein, da mehrere Produkte in ein Paket gepackt werden können, es reduziert sich auch der Verpackungsmüll. Unzählige Bilder auf Social Media von kleinen Artikeln, die in meterweise Papier und riesigen Kartons eingepackt sind, zeigen den Unmut der Kunden hierüber. Roboter, Drohnen, selbstfahrende Paketboxen – bei den unzähligen Innovationen der letzten Jahre,  bleibt es spannend, welche Zustelloption möglicherweise als nächstes die Paketlieferung revolutioniert oder in der Versenkung verschwindet.

Veröffentlicht: 14. März 2021 / Geschrieben von J. Müller